März 30, 2023
Was die DNA eines antiken Vulkanopfers verrät

Was die DNA eines antiken Vulkanopfers verrät

Als der Vesuv im Jahr 79 nach Christus ausbrach, begruben Lava, Asche und Glutlawinen die Stadt Pompeji unter sich – und mit ihr auch viele ihrer Bewohner. Jetzt ist es Forschern erstmals gelungen, das Erbgut eines dieser antiken Vulkantoten zu analysieren. Die DNA dieses Mannes enthüllt, dass sich seine Herkunft von der vieler anderer Römer unterschied, er aber wohl kein Sklave oder Einwanderer war. Zudem litt der Pompejaner an Knochentuberkulose, einer damals verbreiteten Infektionskrankheit.

Als die römischen Städte Pompeji und Herculaneum vom Ausbruch des Vesuv unter Asche und Lava begraben wurden, machte sie dies zu einzigartigen Zeitkapseln. Denn nirgendwo sonst sind Zeugnisse des Alltagslebens zur römischen Zeit so gut erhalten geblieben wie unter den schützenden Ablagerungen der Eruption. Funde von fast perfekt konservierten Alltagsobjekten, Fahrzeugen, Möbeln, Fresken sowie die Gebäude deuten darauf hin, dass Pompeji vor der katastrophalen Eruption ein beliebter Ferienort für wohlhabende Römer war. Die bis zu 20.000 Einwohner umfassende Stadt war zudem ein florierendes Zentrum des Handels.

Das Erbgut eines Vulkantoten

Doch der Ausbruch des Vesuv setzte all dem ein Ende und tötete Schätzungen zufolge mindestens 2000 Menschen. Ihre von Glutlawinen und Asche eingehüllten und konservierten Überreste wurden in vielen Gebäuden des antiken Pompeji entdeckt. Die Positionen der Relikte zeigen, dass viele Einwohner Pompejis im Alltag überrascht und plötzlich getötet wurden. Einige Vulkanopfer sind so gut konserviert, dass sogar Gewebereste und Gehirnzellen nachweisbar sind. Schon seit längerem versuchen Archäologen, auch Erbgut aus den Zähnen oder Knochen dieser Toten zu isolieren, um aus der DNA Informationen über ihre Herkunft, ihren Gesundheitszustand und weitere körperliche Merkmale zu erhalten – bisher weitgehend vergeblich.

Erst jetzt ist es einem Team um Gabriele Scorrano von der Universität Rom erstmals gelungen, mithilfe von Knochenproben die DNA eines Mannes zu analysieren, der vor fast 2000 Jahren in Pompeji starb. Der 35 bis 40 Jahre alte Mann war einer von zwei Toten, die in Raum 9 der Casa del Fabbro, dem Haus des Handwerkers, gefunden wurden. „Diese Toten lehnten beide auf den Überresten eines Triclinium – einer niedrigen Couch – in der Ecke des wahrscheinlich damals als Esszimmer genutzten Raumes“, berichten Scorrano und seine Kollegen. Die Position der beiden Toten spricht dafür, dass sie von der schnell heranrasenden glühenden Aschenwolke des Ausbruchs überrascht wurden und sofort starben.

Vorfahren aus dem Nahen Osten oder vom Balkan

Bei der Analyse der Gewebeproben zeigte sich, dass die DNA der rund 50-jährigen Frau zu stark degradiert war. Beim Mann hingegen konnten die Forscher das mitochondriale und Kern-Erbgut aus den Proben extrahieren und die DNA-Sequenz entschlüsseln. Der Vergleich seines Genoms mit dem anderer antiker und moderner Bewohner des Mittelmeerraums enthüllte, dass der Mann aus Pompeji einige für das römische Italien ungewöhnliche Gensequenzen aufwies. Demnach zeigt die mitochondriale und damit über die mütterliche Linie vererbte DNA eine Gensignatur, die nach der Eiszeit vor allem im Nahen Osten, Südeuropa und dem Balkan häufig war. Heute kommt sie nur auf Sardinien noch häufig vor.

Das Y-Chromosom des Toten, das seine Abstammung über die männliche Linie repräsentiert, war im römischen Italien ebenfalls eher selten. „Die Linie findet sich vor allem in Ostafrika mit 40 Prozent Anteil, aber in geringerer Häufigkeit auch im Nahen Osten und auf den Mittelmeerinseln Sardinien, Zypern und Lesbos“, berichten Scorrano und sein Team. „Das lässt uns vermuten, dass seine Wurzeln genetische Anteile aus dem Nahen Osten hatten.“ Der Tote von Pompeji hatte demnach Vorfahren aus dem Nahen Osten oder von Sardinien, war aber selbst wahrscheinlich kein Einwanderer – und auch kein Sklave. Stattdessen legen die DNA-Vergleiche nahe, dass der Mann wahrscheinlich in Mittelitalien geboren wurde. „Ob dieses Individuum zur lokalen Bevölkerung von Pompeji gehörte oder ob er zu den fünf Prozent der Einwohner gehörte, die aus anderen Teilen Italiens eingewandert waren, ist aber schwer zu sagen“, schreiben Scorrano und seine Kollegen.

Heterogene Population und Knochentuberkulose

In jedem Fall zeigt das Erbgut des Pompejaners, dass die Bevölkerung damals selbst im römisch geprägten Italien von ihrer Genetik und Abstammung her sehr heterogen war. Das passt den Forschern zufolge gut zu archäologischen Funden und historischen Überlieferungen, die von vielen Kontakten, Migrationen und Interaktionen der verschiedenen antiken Populationen im Mittelmeerraum zeugen. Interessant auch: Der Tote aus dem Haus des Handwerkers könnte an einer damals weit verbreiteten Infektionskrankheit gelitten haben: der Knochentuberkulose. „Es ist schon länger bekannt, dass die Tuberkulose im römischen Reich endemisch war“, erklären Scorrano und sein Team. Verformungen der Rückenwirbel, aber auch DNA-Spuren des Erregers Mycobacterium tuberculosis im Erbgut des toten Mannes sprechen dafür, dass auch er an dieser Krankheit litt.

„Zusammengenommen bestätigt und demonstriert unsere Studie, dass es möglich ist, die menschlichen Überreste dieser einzigartigen Fundstätte mit paläogenetischen Methoden zu untersuchen“, konstatieren die Wissenschaftler. „Unsere ersten Funde liefern nun die Basis für eine intensive Analyse noch weiterer gut erhaltener Individuen aus Pompeji.“

Quelle: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-10899-1

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